AUS DEM KATALOG "UNTERWEGS ZU DEN KÜNSTLERN IM ROSENTAL"

„PHÖNIX IM ROSENTAL“ 

 

In Kärnten kennen ihn nur die Insider, in Salzburg ist es nicht anders, in Wien hat er seit kurzem auch eine Bleibe, der Künstler, der kommt und aufbricht und mit dem Feuer malt. Das Wandern von einem Ort zum anderen, über die Gaue, die Länder und Kontinente hinweg, scheint Thomas Girbl in die Kinderschuhe eingewaxt bekommen zu haben. Als zweiter Sohn eines Tiroler Försters und einer Kärntner Mutter (bis 2004 Hüttenseele auf dem Türkenkopf) ist er im Salzburgischen Pinz- und Flachgau und in Oberösterreich aufgewachsen. Mit 16 Jahren besucht er in Südkärnten die Fachschule für Gestaltendes Kunsthandwerk, Abteilung Graveure, wo erste, schon viel versprechende Radierungen von der Kupferplatte und überzeugende Stahlstiche in der Manier romantischer Landschaftsdarstellungen des 19. Jahrhunderts entstehen. Von Ferlach zieht es den jungen Graveur nach Graz und Köln, seine Meisterprüfung legt er in Innsbruck ab, wo er – eingeschlossen im Bergkessel – den Entschluss für den Beruf des „freien Malers“ fasst. In Prag und Wien diszipliniert er sein technisches know how, Florida, Indien, China, Bali und Australien bereist er mit dem gut achtenden Blick, den er von klein auf schult.

Durch den Umzug seiner Eltern kam auch er selber zurück nach Kärnten, in ein luzides Haus, am südlichen Fuß des Mittagskogels. Über ihn weiß er zu berichten, dass aus seinen kalksteinernen „Nasenlöchern“ Wasser trieft oder dampft, ohne dass dies einer Quelle entspringt, und er weiß auch zu erzählen, dass dieser wie stoisch verharrende Berg von niemand Prominenterem als Egon Schiele „portraitiert“ wurde.

Thomas Girbls St. Jakober Atelier breitet sich über einer versteckt gelegenen Tischlerwerkstatt aus, an einem friedlichen Platz, zwischen dem sprudelnden Mühlbach und einer von Schafen gerupften Obstbaum-Wiese mit Blick in die Süd-Karawanken. In den kleinen Kammern dort stapeln sich seine Arbeiten und harren der Entdeckung, während im großen Arbeitsraum die rohen Leinwände auf die verschiedenen Bearbeitungsprozesse warten. Auf Riesentischen wird sauber kaschiert, an der Staffelei gemalt und vor feuerfestem Hintergrund an einer breiten Wand werden sie dem Feuer ausgesetzt, ihrer „Marke“, einer Brandmarke unterzogen.

Die bunten Landschaften, die Thomas Girbl einst in die polierten Oberflächen von Metallplatten gravierte, sind im Atelier nicht mehr aufzuspüren. Wer die Malwerkstatt betritt, ist gefordert, sich durch enges Gebälk – freilich nur auf den Leinwänden – von dominierenden Waagerechten und Senkrechten durchzuwühlen. Zum Himmel strebende Säulen und über der Erde liegende Horizontalen, Koordinaten zwischen Abend- und Morgenland, aus Dunkel und Hell, sind durchgehend Girbls „Thema“.

Durch die räumliche Enge landet der Blick schneller auf einem Ausschnitt der ungewöhnlich beschaffenen Bildoberflächen, ehe ein Gemälde als ganzes erfasst werden kann. Der biografische Faden zurück zum Graveur lässt sich leicht weiterspinnen und verrät dem Betrachter, dass das Bildmaterial, der Maluntergrund eine unabdingbare Herausforderung im Kunstschaffen des bedachtsamen, sinnegebündelten Malers darstellt.

Viele traditionelle Probeläufe unternahm Girbl mit Pinsel und Ölfarbe auf Leinwänden, doch stets glitt er förmlich daran ab, ungeachtet der vorgegebenen, gerauhten Webstruktur, die eigentlich mehr Halt geben sollte als das Papier. Die Idee, es schichtenweise auf den gewebten Stoff aufzukaschieren, setzt sich durch und läßt die Bilder in gewisser Weise körperhaft und ledrig erscheinen. Die Grundierung erfolgt mit lang erprobten Anti-Feuerrezepturen aus dem alchimistischen Eck in seinem Atelier, wo nichts weiter – wie in anderen Malwerkstätten auch – Gläser und Tiegel mit unterschiedlich farbigen Liquiden aufwarten, um letztlich partiell angefackelt zu werden.

Wendig und mit hoher Achtsamkeit, in geradezu brandschnellem Tempo lässt Thomas Girbl die Flamme über den leinwandenen, himmel- oder wasserblau eingefärbten Malgrund schnalzen und trägt eine weitere, die oberste „Farb“schicht auf. Ihrer Wesenheit nach zeichnet sie sich primär durch einen morphologischer Zustand aus, Farbe wird sie erst in dessen Begleiterscheinung, einem warmen Braun, dem des Verbrannten, Verkohlten. Das Anbrennen ist jeweils der Schluss-Akt in Girbls MalAktion. Dieser gefahrenbergende „Farbauftrag“ könnte sich als verdeckter Angriff auf die Malhäute entblößen, weil er jedes Mal auch Verletzung bedeutet, die allerdings eine bildnerische Transformation evoziert. Dem Maler selbst scheint eine gewisse Unantastbarkeit eigen zu sein, als wäre er, der den Pinsel in Form einer hart tosenden Flamme beherrscht, beständig gegen Feuer, unangreifbar gegen das Böse.

Ein in nahezu allen Bildern vorhandenes, die Seele wärmendes Braun erzeugt beim Betrachten ein archaisches Urgefühl, optisch gebettet in die stofflichen Mutterfasern, die fernöstlichen Papierhäute, in die die Leinwand geschalt ist. Das Resultat aus dem Schichtenaufbau der Papierhäute und dem schleimigen, puffernden Kleister bildet eine an widerstandsstarkes, gegerbtes, und kaum verwüstbares Rinds- oder Büffelleder erinnernde, abwehrtüchtige Oberfläche. Jedoch – als könnte der Zustand des Guten niemals für immer andauern -, erinnern porös sich aus bunten

Farbflächen abhäutende, weggespreizte, angekohlte Partikel an die Kluft zwischen Sein und NichtSein.

Girbls Malerei, die sich vom Gegenständlichen distanziert, mutet fernöstllicher Geist an, die Konzentration auf reduzierte Striche in der Waag- oder Senkrechte setzt sich durch, da und dort sind es Kreise oder Kreisflächen und andere Zeichen mit symbolischer Aussagekraft, deren Lesbarkeit sich nur über das Erkunden exotischer Sprachräume erschließt. Im wesentlichen handeln sie von den Elementen, den Beziehungen von Menschen zu ihrer Umwelt und der Natur.

Girbls Wege erinnern ein wenig an den großen Yves Klein, den Urheber der Monochromen und der „Feuer-Malerei“ (1957), die als Schreckensrinnerung an Hiroshima nach seinem Japan-Aufenthalt Anfang der 1950er Jahre entstanden. Beide Künstler gehen von einem Inferno aus, Klein vom nuklearen Desaster in Vietnam und Girbl von vewüstenden Buschbränden in Australien, die er, während seines einjährigen Aufenthaltes, dort mit eigenen Augen verfolgte. Während Kleins Feuer-Bilder sich unter den Impressionen eines apokalyptischen Infernos subsumieren lassen, strebt Girbl mittels der bildnerischen Ästhetik die Form eines fragilen Gewandes, dahinter die Idee der Entmaterialisierung als letztgültigen Gedanken von Freiheit, von Transzendenz an. Seine Maxime ist das Ausgleich-Schaffen zwischen den Welten, das Finden der inneren Balance im äußeren Chaos und in subjektiven Grenzbereichen.

Seine brandbraunen, minutiöse Blasen werfenden Feuer-Ignogramme , wie der Künstler sie nennt, sichern einen ultimativen Zustand von Farbe, bevor dieser in den ungeformten Letztzustand von Asche übergeht. Die Licht einfangenden Bläschenreliefs, wie auch die Licht konservierenden, bunten Papierhäute überschwebt der Gedanke an Apokatastasis, worin sich Anfang und Ende bedingen und sich gleichzeitig von einander befreien.

 

Dr. Hiltrud Oman / Kunsthistorikerin in Salzburg